Hintergrund & Herausforderungen

Eine der größten Herausforderungen für die Menschheit unseres Jahrhunderts ist der Umgang mit multiresistenten Erregern (MREs) und klinisch relevanten Antibiotikaresistenzgenen (ARGs). 

Resistente Erreger sind im klinisch-medizinischen Sinne infektiöse Mikroorganismen (Bakterien, Pilze, Parasiten, Viren), welche unempfindlich gegen bestimmte Antibiotika (Bakterien) / Antimykotika (Pilze) / Virostatika (Viren) sind. 

Multiresistente Erreger (MRE) weisen eine Resistenz gegenüber mehreren unterschiedlichen Antibiotikaklassen auf und stellen im Falle einer Infektion eine Herausforderung dar, da sie nur mit hohem Aufwand therapeutisch behandelbar sind

Verursacht werden Resistenzen durch zunächst zufällige Mutationen (Veränderungen im Erbgut der Mikroorganismen), die auf unterschiedliche Art und Weise dazu führen können, dass Mikroorganismen durch bestimmte Antibiotika nicht mehr abgetötet oder in ihrem Wachstum gehemmt werden. Die für die Resistenz verantwortlichen Abschnitte des Erbguts dieser Mikroorganismen werden auch als Resistenzfaktoren bezeichnet und bestehen aus linearen Erbgutabschnitten (Transposons) oder kleinen ringförmigen Erbgutabschnitten (Plasmiden). Die Verbreitung und Weitergabe von Resistenzfaktoren kann vertikal (Vermehrung der Mikroorganismen durch Teilung) oder horizontal zwischen unterschiedlichen Mikroorganismenarten erfolgen.

Der seit Jahrzehnten unsachgemäße Gebrauch von Antibiotika im großen Umfang führte zur fortgesetzten Bildung von resistenten Mikroorganismen, die Menschen und Tiere besiedeln und im hohen Maße ungefiltert in die Umwelt gelangen und hierdurch weiter verteilt werden können, beziehungsweise auch von Menschen wieder aufgenommen werden können. Darüber hinaus führt auch ein unkontrollierter Eintrag von Antibiotika in die Umwelt (z.B. über Abwasser) zur Bildung von resistenten Mikroorganismen auch außerhalb von Mensch und Tier.

Durch Resistenzen entsteht ein Selektionsvorteil für Mikroorganismen, da sie hierdurch unempfindlich gegenüber Antibiotika werden, weshalb sie sich ungehindert vermehren und ausbreiten können. Solch eine Situation ist dann gravierend, wenn es zu einer Infektion mit MREs kommt und diese durch Mangel an zur Verfügung stehenden (Reserve-) Medikamenten nicht erfolgreich behandelt werden kann. 

2019 starben weltweit etwa 4,95 Mio. Menschen direkt oder indirekt durch Infektionen mit MREs und eine Verbesserung der Situation ist nicht in Sicht [1]. Laut einer Prognose werden 2050 weltweit mehr Menschen an Infektionen durch MREs sterben als an Krebs (10 Mio. vs. 8,2 Mio.), was neben den persönlichen Schicksalen der Angehörigen auch immense ökonomischen Verluste zur Folge haben wird [2].  

Insgesamt 15 bakterielle Familien, mit unterschiedlichen und übergreifenden Resistenzen, wurden 2024 in der Bacterial Priority Pathogens List (BPPL) der WHO gelistet, welche bei Fragestellungen in der Wissenschaft und Wirtschaft hinsichtlich neuer Forschungsschwerpunkte, Wirkstoffentwicklungen sowie Präventionsmaßnahmen priorisiert behandelt werden sollen, da hier die Therapiemöglichkeiten zum Teil äußerst beschränkt sind [3]. 

Um die globale Verbreitung von multiresistenten Mikroorgansimen zu minimieren, wurde 2015 der Global Action Plan (GAP) ausgerufen, der sämtlichen Einflüsse u.a. der menschlichen Gesundheit, Lebensmittelproduktion, Tierhaltung und Umweltsektoren beinhalten soll. Ein weiterer wichtiger Gesichtspunkt sind Abwässer.  

Das Robert Koch-Institut (RKI) bzw. die Kommission für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention (KRINKO), stufen sowohl kommunales Abwasser sowie Abwasser von Krankenhäusern als potenziell infektiös ein. Persistierende Infektionsausbrüche in Krankenhäusern konnten unter anderem auf abwasserführende Systeme als Erregerreservoirs zurückgeführt werden [4]. Abwässer von Krankenhäusern zeigten hierbei vermehrt eine Korrelation zwischen enthaltener Antibiotikakonzentration und resistenten Mikroorgansimen auf. 

Als besonders kritisch gelten sogenannte 4 MRGN-Erreger (Multiresistente gramnegative Bakterien), welche gegen bis zu vier der wichtigsten klinischen Antibiotikaklassen (Piperacillin, 3te-Generation Cephalosporine, Fluorchinolone und Carbapeneme) resistent sind [5].  Neben der hohen Belastung von Klinikabwasser mit MREs enthält dieses weiter kritische Inhaltsstoffe, unter anderem adsorbierbare organische Halogenverbindungen (AOX), Medikamentenrückstände und Abbauprodukte z.B. von Antibiotika sowie Zytostatika

Die Wirkung und Präsenz von chemischen Kontaminationen werden im Laufe der Zeit durch Verdünnung, Absorption und Abbau verringert. MREs hingegen können sich vermehren und ARGs speziesübergreifend mittels horizontalem Gentransfer weiter verbreitet werden, wodurch sich antibiotikaresistente Stämme auch in weit entfernten Seen, Flüssen oder Uferbereichen finden lassen. Gewässer sind hierbei ein kritischer Faktor für die Ausbreitung von MREs und ARGs, da sie gleichzeitig für die Einspeisung von Abwasser wie auch als Lebensader verschiedener (menschlicher) Bedürfnisse genutzt werden. Dies belegt eine aktuelle Publikation von Leopold et. al., welche entlang der Donau über eine Distanz von 2300 km noch MREs rückverfolgen konnte [6]. 

Die gegenwärtigen Abwasserbehandlungsverfahren in Deutschland und den Niederlanden sind nicht darauf ausgelegt, MRE, mobile ARGs oder kritische Medikamentenrückstände zu eliminieren, wodurch diese nur unter unzureichender Reduktion in die Umwelt freigesetzt werden. Hieraus resultierende Gefährdungen sind derzeitig noch nicht kalkulierbar [5]. 

Die meisten, gegenwärtig betriebenen Kläranlagen in Deutschland bestehen aus einer dreistufigen Wasseraufbereitung [7]. Laut EU sollen bis 2045 alle kommunalen Kläranlagen für >150.000 EW mit der Reinigungsstufe 4, der Adsorptiven Reinigung, ausgestattet sein [8]. Hierbei werden dem Wasser mittels: i) Nanofiltration oder ii) Umkehrosmose oder iii) Fällung die noch restlichen organischen Schwebstoffe und Mikroschadstoffe, wie z.B. Antibiotika und andere Medikamentenrückstände, Kühlschmiermittel oder andere chemische Verbindungen entfernt. Der Einfluss auf die Eliminierung von MREs bleibt abzuwarten, wobei dies prinzipiell mittels zusätzlicher technischer Verfahren durch Zudosierung oxidierender Agenzien (z.B. H2O2, O3) erzielt werden kann.

An diesem Entwicklungspunkt setzt das INTERREG Deutschland-Niederlange Projekt SPOWAR (Sustainable Protection of WAter Resources) an. Ziel von SPOWAR ist die Entwicklung, Charakterisierung, Etablierung und Einführung neuer ressourcenschonender und effizienter Verfahren zur Behandlung von Ab- und Prozesswasser, um die Emission und Verbreitung von MREs und anderen Keimen, Resistenzgenen sowie  ökotoxikologisch kritischen organischen Verbindungen (Arzneimittelrückstände, Stoffe mit hormonartiger Wirkung, etc.) in der Umwelt zu verhindern.

Das Projekt SPOWAR fokussiert mit seinen Entwicklungen auf den gegenwärtig ersten Punkt auf der “Global research agenda for antimicrobial resistance in human health“, in dem es unter anderem um die Untersuchung von Einflüssen und Wirksamkeit zur Gewährleistung eines sicheren Umgangs mit Wasser, sanitären Einrichtungen, Hygiene und Abfall / Abwasser geht, um die Belastung der Umwelt mit Resistenzen gegen antimikrobiell wirkenden Mitteln zu reduzieren [9].

 

[1] Antimicrobial Resistance Collaborators. (2022). Global burden of bacterial antimicrobial resistance in 2019: a systematic analysis. The Lancet; 399(10325): P629-655. DOI: 10.1016/S0140-6736(21)02724-0.

[2] J. O’Neill. (2014). Antimicrobial Resistance: Tackling a crisis for the health and wealth of nations. The Review on Antimicrobial Resistance. 

[3] WHO. (2024). Bacterial Priority Pathogens List (BPPL). ISBN 978-92-4-009346-1.

[4] Bundesgesundheitsblatt – Gesundheitsforschung – Gesundheitsschutz. (2020). Anforderungen der Hygiene an abwasserführende Systeme in medizinischen Einrichtungen. Bundesgesundheitsbl 63: P484–501. DOI: 10.1007/s00103-020-03118-7.

[5] M. Exner, et al. (2020). HyReKA: Hygienisch-medizinische Relevanz und Kontrolle Antibiotika-resistenter Krankheitserreger in klinischen, landwirtschaftlichen und kommunalen Abwässern und deren Bedeutung in Rohwässern“ Vorläufiger Abschlussbericht Stand 07.2020; Interinstitutional file: 2022/0345(COD) http://www.hyreka.net/. Zugriff: 30.07.2024.

[6] M. Leopold, et al. (2024). A comparative study on antibiotic resistant Escherichia coli isolates from Austrian patients and wastewater-influenced Danube River water and biofilms. J.Hyg.Environ, Volume 258(114361). DOI: 10.1016/j.ijheh.2024.114361. 

[7] Umweltbundesamt. (2023). Öffentliche Abwasserentsorgung. https://www.umweltbundesamt.de/daten/wasser/wasserwirtschaft/oeffentliche-abwasserentsorgung#rund-10-milliarden-kubikmeter-abwasser-jahrlichZugriff: 30.07.2024.

[8] EU General Secretariat of the Council. (2024). Proposal for a Directive of the European Parliament and of the Council concentring urban wastewater treatment (recast).

[9] WHO. (2023). Global research agenda for antimicrobial resistance in human health, policy brief.  https://cdn.who.int/media/docs/default-source/antimicrobial-resistance/amr-spc-npm/who-global-research-agenda-for-amr-in-human-health—policy-brief.pdf?sfvrsn=f86aa073_4&download=true. Zugriff: 30.07.2024.